Landgericht Lübeck – Az. 14 S 13/22 – jeder Fahrzeugführer hat es schon mal erlebt: man kann nicht einschätzen, was das vor einem befindliche Fahrzeug vor hat – möchte es halten; fährt es schlichtweg zu langsam oder beabsichtigt es einen Abbiegevorgang? Wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was der vorausfahrende PKW sogleich tun wird, spricht man von einer unklaren Verkehrslage i.S.v. § 5 Abs. 3 StVO.
Eine derartige unklare Verkehrslage liegt auch vor, wenn das voranfahrende Fahrzeug seine Geschwindigkeit deutlich verlangsamt hat und dies in Verbindung mit der sonstigen Verkehrssituation- und Örtlichkeit geeignet ist, Zweifel über die weitere Fahrweise aufkommen zu lassen.
Im hiesigen Fall stritten die Parteien über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. Beklagte ist Eigentümerin und Halterin eines VW Passat, die im Jahr 2020 mit ihrem Fahrzeug eine Straße in X befuhr. Klägerin ist die Halterin eines im fraglichen Zeitpunkt hinter der Beklagten befindlichen Linienbusses. Die Beklagte bremste ab einem bestimmten Streckenabschnitt über eine Strecke von ca. 800m immer wieder kurzzeitig ab. Ab einem bestimmten Punkt hielt die Beklagte dann mit einem Abstand von ca. 10m hinter einem am rechten Fahrbahnrand parkenden LKW und bog anschließend links auf die Zufahrt zu einem Zoogeschäft ab. Bei dem Überholvorgang des Busses kam es – aus ungeklärten Gründen – zu einer Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen.
Nach Aussage der Klägerin habe die Beklagte während des Haltens hinter dem PKW den rechten Blinker gesetzt, der signalisieren sollte, dass sie nun an dieser Stelle halten wird. Der Bushielt zunächst hinter dem Fahrzeug der Beklagten, da sich Gegenverkehr näherte. Dieser gab dem Bus jedoch mit einem Lichtzeichen zu verstehen, dass ihm Vorrang eingeräumt werde. Der Bus setzte in der Folge zum Überholen des Beklagtenfahrzeugs an. Als sich der Bus auf der Höhe des Beklagtenfahrzeugs befand, fuhr die Beklagte ebenfalls an und es kam zur Kollision.
Die Beklagte hingegen behauptet, den Blinker links gesetzt zu haben und den entgegenkommenden Verkehr zunächst hat passieren lassen wollen, bevor sie abbiegt.
Das erstinstanzliche Amtsgericht bildete eine Haftungsquote von 50/50 und begründete dies wie folgt:
Die Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Landgerichts hat das Amtsgericht die Klage zurecht zum Teil abgewiesen.
Fazit: im Verkehr ist stets Vorsicht geboten. Insbesondere in Situationen, in denen Sie das vor Ihnen befindliche Fahrzeug und deren nächstes Vorgehen nicht einschätzen können, sollten Sie von unüberlegten Überholvorgängen absehen.
Nichtsdestotrotz verdeutlicht das Urteil, dass in verkehrsrechtlichen Streitigkeiten stets die Hoffnung auf zumindest anteiligen Ausgleich der einem entstandenen Schäden besteht, kam es häufig zu Verkehrsverstößen auf beiden Seiten.
Erscheint Ihnen Ihre Situation also noch so aussichtslos, ist es dennoch ratsam, einen Anwalt mit der Prüfung der Angelegenheit zu betrauen.
Wir kümmern uns täglich um verkehrsrechtliche Streitigkeiten und sind Experten auf dem Gebiet. Für weitere Rückfragen, rufen Sie uns gerne an und lassen sich in einem kostenlosen Erstgespräch beraten.