Eine blinde Person stürzt über E-Scooter; die Klage auf Schadensersatz wird abgelehnt

Landgericht Bremen – Az. 6 O 697/21:

Im Jahr 2020 stürzte der seit seiner Geburt erblindete Kläger beim Passieren eines Gehweges über einen auf dem Gehweg abgestellten E-Scooter. Dieser wurde parallel zu einem weiteren Roller in einem Neunzig-Grad-Winkel zu einer Hauswand abgestellt. Der Kläger erlitt einen Oberschenkelhalsbruch und weitere körperliche Schäden.

Der Kläger richtete sich gegen die Gesellschaft, die die Elektroroller im free-floating-Modell, also ohne festen Standort der E-Scooter, vermietet. Er begehrte die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung von Schadensersatzansprüchen. Die Klage wurde erst- und zweitinstanzlich abgelehnt.

Der Kläger beruft sich darauf, dass der Beklagten eine Sondernutzungserlaubnis fehle, da die ihr im Jahr 2019 erteilte Erlaubnis unwirksam sei. Die Stadt Bremen habe nicht die Kompetenz gehabt, die Sondernutzungserlaubnis zu erlassen. Ferner könnte die Gesellschaft keinen gefahrlosen Betrieb der Roller gewährleisten. Auch habe die Gesellschaft als Halterin der Fahrzeuge ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Dies ergebe sich aus dem Inverkehrbringen der gefahrenträchtigen E-Scooter sowie dem fehlenden Risikomanagement im Hinblick auf die E-Scooter.

Die Klage wurde aus folgenden Gründen abgewiesen :

Das Abstellen der zwei Roller in einem Neunzig-Grad-Winkel zur Hauswand kann nicht als Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht eingestuft werden. Die dort platzierten Roller führten nur mittelbar zu der Verletzung des Klägers. Derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, hat die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern. Dabei muss laut dem Gericht jedoch berücksichtigt werden, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorsorglich begegnet werden kann. Eine Gefahrenvermeidung ist somit nicht für jeden denkbar gefährlichen Geschehensablauf erforderlich und auch nicht zumutbar. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist bereits genügt, wenn diejenigen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, die ein gewissenhafter Mensch für angemessen und zumutbar hält. Die Beklagte hat laut Gericht keine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da sie die Roller, entsprechend der Sondernutzungserlaubnis, im Neunzig-Grad-Winkel abgestellt hat. Auch hält es die Sondernutzungserlaubnis für rechtswirksam.

Fazit: Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzungen, die aus Gefahrenquellen resultieren, die andere geschaffen haben, setzen notwendig eine Verkehrssicherungspflichtverletzung desjenigen voraus, der die Gefahrenquelle geschaffen hat.

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