Auch leichte Fahrlässigkeit beim Verkehrsunfall kann die allgemeine Betriebsgefahr des Unfallgegners vollständig zurücktreten lassen

LG Braunschweig – Az. 5 o 16/24 – Das Landgericht Braunschweig befasste sich mit einem Verkehrsunfall zweier Parteien. Der Kläger war mit seinem Dreirad auf gerader Strecke innerorts unterwegs. Die Beklagte ist Halterin des unfallgegnerischen Fahrzeugs. Zum Zeitpunkt des Unfalls lenkte ein Zeuge das Fahrzeug der Beklagten. Bei dem Fahrzeug der Beklagten handelt es sich um 3,7 Tonnen schweres Feuerwehrauto.

Der genaue Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig und ließ sich auch nicht vollständig aufklären. Bewiesen sei jedoch, dass der Zeuge mit seinem Fahrzeug in die Vorfahrtstraße, auf der sich der Kläger dem beklagten Fahrzeug näherte, einbiegen wollte. Bei dem Abbiegevorgang würgte der Zeuge den Motor ab. Das Fahrzeug kam in der Folge zum Stehen. Kurz nachdem der Zeuge das Fahrzeug wieder in Bewegung brachte, fuhr der Kläger dem Zeugen sodann hinten auf das Fahrzeug auf.

Bei dieser Kollision entstanden dem Kläger Schäden in Höhe von insgesamt knapp 6.630,00 €, unter anderem aufgrund des ihm an seinem Dreirad entstandenen wirtschaftlichen Totalschadens. Diesen Betrag verlangt er vollständig von der Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG ersetzt – mit Erfolg!

Das Landgericht gab der Klage in vollem Umfang statt und begründete dies mit § 17 StVG:

Abs. 1 regelt die Haftungsverteilung zwischen den Beteiligten, wenn diese einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet sind. Abs. 2 macht die Vorschrift indes auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander anwendbar. Vorliegend führt § 17 Abs. 2 StVG dazu, dass die Beklagte den vollständigen Verursachungsbeitrag trägt. Aber wie wird das begründet?

Grundsätzlich trifft jeden, der ein Fahrzeug führt und/oder hält, eine allgemeine Betriebsgefahr. Kommt es zu einem schadenverursachenden Verkehrsunfall hat selbst derjenige, den grundsätzlich kein Verschulden am Unfallhergang trifft, dennoch einen zumindest geringen Verschuldensanteil in Form seiner Betriebsgefahr zu tragen. Die Betriebsgefahr ist also die Gefahr, die sich allein daraus ergibt, dass man ein Fahrzeug überhaupt im Verkehr bewegt. Das resultiert aus der Gefährlichkeit, die dem Führen von Fahrzeugen anhaftet.

Im vorliegenden Fall überwiegt laut dem Gericht der Verschuldensanteil des Zeugen den des Klägers aber derart, dass selbst die allgemeine Betriebsgefahr des Klägers in der Haftungsverteilung keine Berücksichtigung zu finden hat. Der Zeuge habe zwar nur leicht fahrlässig den Motor abgewürgt. Dies kann schließlich jedem Fahrer passieren. Die Vorfahrtsverletzung des Beklagten sei allerdings dadurch als bewiesen anzusehen, dass dem Kläger selbst kein Verschuldensbeitrag nachgewiesen werden kann. Auch ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht mit dem Fahrzeug der Beklagten kollidiert wäre, hätte er noch ausreichend Zeit zum Bremsen gehabt. Das spricht dafür, dass der Zeuge trotz unzureichender Entfernung des Klägers den Abbiegevorgang eingeleitet und so dem Kläger die Vorfahrt genommen hat. Auch ist die deutlich höhere Betriebsgefahr des beklagten Fahrzeugs zu berücksichtigen, das nun mal 3,7 Tonnen schwer ist. Der Kläger hingegen ist Halter eines Dreirads, das höchstens 45 km/h aufbringen kann.

Fazit:

Trotz im Ergebnis lediglich leicht fahrlässiger Vorfahrtsverletzung des Zeugen, tritt die Betriebsgefahr des Klägers bei der Ermittlung der Haftungsquote vollständig zurück. Zum einen aufgrund der höheren Betriebsgefahr, die dem Fahrzeug der Beklagten innewohnt und zum anderen aufgrund des dem Kläger nicht nachweisbaren eigenen Verursachungsbeitrags.

 

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