Kasko-Versicherung – ist Erhalt des Neupreises bei Totalschaden möglich?

Oberlandesgericht Hamm – Az. 20 U 96/21 – was passiert, wenn Ihr Kasko-Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen verspricht, im Schadensfall den Neupreis Ihres Fahrzeugs zu leisten, wenn innerhalb von 3 Jahren nach Erstzulassung des Fahrzeugs ein Totalschaden eintritt? Und wann liegt ein solcher Totalschaden vor?

Damit hatte sich nun das OLG Hamm in einem Berufungsverfahren zu befassen. Der Kläger ist Versicherungsnehmer und Fahrzeugeigentümer. Beklagter ist der Kasko-Versicherer des Klägers.

Das Fahrzeug des Klägers wurde durch einen Verkehrsunfalls erheblich beschädigt. Daraufhin berief sich der Kläger gegenüber der beklagten Versicherung auf eine Klausel im Vertrag, in der der Versicherer verspricht, im Schadensfall anstelle des Wiederbeschaffungswertes den Neupreis des Fahrzeugs zu zahlen, wenn innerhalb von 36 Monaten nach Erstzulassung des Fahrzeugs ein Totalschaden an diesem eintritt. Dies lehnte die Versicherung ab und stützte sich darauf, dass schon die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, da das Fahrzeug des Klägers kein Totalschaden sei.

Hiergegen klagte der Versicherungsnehmer schließlich – leider ohne Erfolg. Auch das OLG Hamm war davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Aus folgenden Gründen:

Zwar trifft der Vertrag zwischen Kläger und Beklagtem selbst keine Aussage darüber, wann ein solcher Totalschaden im Sinne der Klausel vorliegt. Im Übrigen ist in dem Vertrag die Geltung der vorgelegten AKB (Allgemeine Bedingungen für die KFZ-Versicherung) vereinbart. Nach der Definition des Totalschadens in den AKB kommt es zu einer Totalschadenabrechnung erst, wenn die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen; wenn es für den Versicherer also günstiger ist, den Neuwert zu leisten anstatt die Reparaturkosten. Diese Voraussetzung war im Falle des Klägers nicht gegeben. Nach dem Schadengutachten beliefen sich die erforderlichen Reparaturkosten auf etwas mehr als 17.000,00 €. Der Wiederbeschaffungswert wiederum belief sich auf knapp 23.000,00 € und war somit – entgegen der Klausel in den AKB – höher als die Reparaturkosten. Der Kläger konnte folglich keinen wirtschaftlichen Totalschaden im Sinne des Vertrages geltend machen.

Wichtig für Sie zu wissen ist: ob ein Totalschaden vorliegt, kann nicht einheitlich beurteilt werden. Es kommt immer auf die zwischen Ihnen und Ihrem Versicherer vereinbarten Versicherungs- und Vertragsbedingungen an. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei aufmerksamer Durchsicht versteht. Zugrunde gelegt wird ein Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Kenntnis!

Davon ausgehend gingen sowohl das erstinstanzliche als auch das Berufungsgericht davon aus, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel des beklagten Versicherungsunternehmens durchaus so hätte verstehen können, dass der Totalschaden nur vorliegt, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen.

Fazit: für die Feststellung, welche Ansprüche Ihnen im Schadensfall gegen den Versicherer zustehen, ist eine Durchsicht der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Regel unerlässlich. Dies kann aufgrund der ausladenden Breite dieser Bedingungen – insbesondere für Laien – durchaus schwierig sein.

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