Wer einmal rast, dem glaubt man nicht? Nach Ansicht des OVG ist es so einfach nicht!

OVG Rheinland-Pfalz – Az. 7 A 10988/23 – Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hatte in einem interessanten Fall zu entscheiden.

Im Februar 2022 hatten Polizeibeamte zwei Motorradfahrer angehalten, die auf einer vierspurigen Straße mit einem Gebot von 50 km/h mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 – 100 km/h unterwegs gewesen sind. Einer der Fahrer flüchtete erfolgreich, der andere wurde noch vor Ort als Beschuldigter belehrt. Die Beamten sahen in der Geschwindigkeitsüberschreitung ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen, das nach § 315d StGB strafbar ist. In der Folge stellten sie das Fahrzeug des angehaltenen Motorradfahrers sicher – und das doppelfunktional.

Was bedeutet diese Doppelfunktionalität? Das Fahrzeug wurde sowohl zur Strafverfolgung als auch zur Gefahrenabwehr sichergestellt.

Schlussendlich wurde das Verfahren zwar wegen zu geringer Schuld eingestellt, das Motorrad blieb allerdings weiterhin sichergestellt. Gegen jene Sicherstellung wendete sich der betroffene Motorradfahrer klageweise – mit Erfolg!

Das OVG Rheinland-Pfalz gab dem Kläger in zweiter Instanz Recht; das Land musste das Motorrad zurückgeben. Aus folgenden Gründen:

Zunächst wichtig zu wissen ist, unter welchen Voraussetzungen eine Sicherstellung erfolgen darf.

Zur präventiven Sicherstellung von Fahrzeugen sind Polizeibeamte gem. § 22 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) dann berechtigt, wenn es zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall war eine solche Gefahr mit Anhalten des Motorradfahrers allerdings nicht mehr zu erwarten. Die Gefahr war in dem Moment beendet, als der Fahrer angehalten worden ist. Ferner habe es für weitere Verkehrsdelikte durch den betreffenden Motorradfahrer keine Anhaltspunkte gegeben, die eine Sicherstellung hätten rechtfertigen können.

Es sei nämlich eher die Regel, dass sich Verkehrsteilnehmer von Ermittlungsverfahren und (Bußgeld-)Maßnahmen nachhaltig beeindrucken ließen, was sie von unmittelbar anschließenden Verstößen eher abhalte. Eine Wiederholungsgefahr – die nach Ansicht der Beamten gegeben sei – ist somit ausgeschlossen und die Sicherstellung unrechtmäßig.

Wann ist präventive Sicherstellung gerechtfertigt?

Nach Ansicht des Gerichts sei eine präventive Sicherstellung, wie sie die Beamten im hiesigen Fall vorgenommen haben, ohnehin nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Fahrer bei der Kontrolle unbelehrbar zeige. Erst dann könne von einer naheliegenden Gefahr iSd § 22 POG ausgegangen werden. Eine solche Unbelehrbarkeit kann beispielsweise bei ungewöhnlich vielen Verkehrsverstößen in der Vergangenheit bejaht werden.

Fazit: Wer einmal rast, dem glaubt man doch.

Sollte Ihnen Ihr Fahrzeug mit dem Argument der Sicherstellung zur Gefahrenabwehr entzogen werden, sollte dies unbedingt anwaltlich geprüft werden. Oftmals hält die der Sicherstellung zugrunde liegende Argumentation der handelnden Beamten – wie im vorliegenden Fall – einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

 

 

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